Das Wochenende in Jarama
Der Truckrace-Europameister des Jahres 2008 heißt David Vrsecky. Nicht ganz unerwartet setzte sich der tschechischen Top-Favorit in einem bis zuletzt spannenden Finale gegen seinen Teamkollegen Markus Bösiger durch.
Bösiger lag vor dem ersten Ausrollen auf der Rennstrecke unweit Madrids mit 18 Zählern zurück, nach den vier letzten Wertungsläufen des Jahres war die Differenz sogar auf 21 Punkte angewachsen. Die beste Show lieferten allerdings diesmal nicht die beiden Fahrer des Buggyra-Teams ab. Antonio Albacete lief zur Freude seiner zahlreich angereisten Fans zum Saisonende noch einmal zur Höchstform auf und dominierte das Wochenende mit dem Traumergebnis von 60 Punkten für vier souveräne Siege in allen vier Rennen.
Besonders erfreulich: In diesem Jahr rissen sich die Akteure schwer „am Riemen“, die Entscheidungen fielen, anders als im Vorjahr, sauber auf der Rennstrecke und nicht am grünen Tisch. Auch auf der Piste ging es erstaunlich ruhig zu, in der Vergangenheit hatte sich an gleicher Stelle schon öfters die angestauten Emotionen Bahn gebrochen. Dass die Ellbogen angelegt blieben, bescherte den Zuschauern tolle Rennen und sorgte für eine entspannte Atmosphäre im Fahrerlager. Zu erleben war das sowohl bei Auftritten von Albacete als auch bei Jean-Philippe Belloc.
Am ersten Tag hatte der Madrilene auf seiner Hausstrecke die schnellste Runde im Zeittraining abgeliefert, von der Pole Position aus startete er seinen Siegeszug. Am Sonntag allerdings durfte Vrsecky vom besseren Startplatz aus ins Rennen gehen. Antonio konnte sich jedoch vor der ersten Kurve einen minimalen Vorsprung erarbeiten – und nachdem sich Vrsecky keinen Ausfall leisten und unbedingt ankommen musste, blieb es beim harmlosen Touchieren. In einem früheren Stadium der Meisterschaft wäre in der gleichen Situation vermutlich einiges zu Bruch gegangen.
Jean Philippe Belloc wiederum hatte seinen stärksten Auftritt im zweiten Qualifikationsrennen am Sonntagmittag. Da musste er sich ausgerechnet mit Egon Allgäuer auseinandersetzen, ein direktes Duell mit dem österreichischen Ex-Europameister hat ja durchaus das Potenzial, sich zu einem größeren Arbeitsauftrag für die Mechaniker auszuwachsen. Diesmal hatten sich aber beide Akteure offenbar das Schlagwort Fair Play ganz groß auf das Visier gepinselt, es wurde zur Freude der Zuschauer ein munteres Ringen, das sich über einige Runden hinzog, ehe sich Belloc endgültig durch- und vor den gelben Truck des Konkurrenten setzte. Zuvor hatte er das schon einmal geschafft, dann aber wenig später „dank“ eines Schaltfehlers dem Konkurrenten die Gelegenheit zur erfolgreichen Retourkutsche gegeben. „Ich mag’s eben gerne ein wenig schwierig,“ meinte Belloc hinterher lachend.
Albacete rangiert im finalen Klassement an dritter, Belloc an fünfter Position: Vor dem Start in die Saison 2008 hatte sich Lutz Bernau mit seiner Crew für die beiden ins Rennen geschickten Trucks vielleicht etwas mehr erhofft. Doch schon in Most war klar, dass die beiden von Buggyra ins Rennen geschickten Freightliner-Trucks in diesem Jahr ein schwer zu schlagender Konkurrent waren und einem Doppelsieg entgegen fuhren. Gelungen ist das unter normalen Bedingungen überhaupt nur Antonio Albacete, lediglich beim Regenrennen von Barcelona konnte sich Frankie Vojtisek bei völlig irregulären Verhältnissen erfolgreich gegen alle anderen Starter durchsetzen. Nach diesem Top-Trio folgt das vordere Mittelfeld, in dem sich Belloc inzwischen fest etabliert hat. Doch da herrscht mit Fahrern wie Jochen Hahn, Stuart Oliver, Chris Levett (dessen Truck war nicht rechtzeitig fertig geworden, daher entspricht der neunte Rang in der EM-Tabelle nicht der tatsächlichen Stärke des Briten) und, mit Abstrichen, Markus Altenstrasser, eine unglaubliche Leistungsdichte, so dass der fünfte Rang im Klassement auch als Erfolg verbucht werden kann, zumal Belloc erst seine zweite Truck-Saison gefahren ist.
Ach ja – und es gab noch einen dritten erfolgreichen Bernau-MAN auf der Rennstrecke: Im „alten“ Truck des Teams schwang sich der Franzose Dominique Lacheze zu ungeahnten Höhenflügen auf. Bei der Saisonabschlussfeier erhielt Lacheze einen Sonderpreis als „Fahrer, der in einer Saison den größten Sprung nach vorne gemacht“ hat. Ausdrücklich bedankte sich der sympathische Truck Racer danach bei Lutz Bernau und seinem Team.
Lacheze war auch bei einer anderen Siegerehrung vertreten. Bereits am Samstag fand im Fahrerlager vor dem Zelt von Lutz Bernau die Preisvergabe der TRIPA-Challenge statt, eine Spezialwertung für Fahrer, die normalerweise nicht oder nur selten in den FIA-Punkterängen ( = die Plätze 1 bis 10) landen. Dank des Engagement einiger Sponsoren – ZF Sachs, HS-Schoch, Rigdon-Reifen, Fernfahrer-Club und Truck Sport Magazin – konnten die Teilnehmer mit attraktiven Geld- und Sachpreisen bedacht werden.