Antonio baut Vorsprung aus
Vor vier Jahren war die erste Reise in Richtung Osten noch ein großes Abenteuer – doch inzwischen haben sich die wenigen Teams, die das Rennen in Russland bestreiten, an die Strapazen gewohnt, die mit dem Trip in den Westen des Riesenlandes verbunden sind. Es könnte gut sein, dass schon im kommenden Jahr nach dem Abstecher nach Russland noch mehr Kilometer auf den Tachographen der Transporter stehen als bisher. Denn die Organisatoren des Rennens haben vor der Premiere 2010 einen Kontrakt mit dem Besitzer des Smolensk Ring geschlossen – auf vier Jahre beziehungsweise viermal Truck Battle Russia. Der Vertrag läuft also in diesem Jahr aus, und wie es weitergeht mit dem Renntermin im Riesenreich, muss sich erweisen.
Ob die Alternative in Moskau zum Zug kommt, wird sich erst in einigen Monaten herausstellen. Letztlich wird das Spiel in Russland genauso gespielt wie in den anderen Ländern, in denen die ETRC gastiert: Die Veranstalter müssen sich mit den Eigentümern der Rennstrecken handelseinig werden. Obwohl der Smolenskring weit weg von der namensgebenden Stadt liegt, kommen inzwischen regelmäßig einige Tausend Besucher an die Strecke. Aber der Circuit in Moskau hätte doch einen anderen Einzugsbereich und damit einen anderen Stellenwert als die Provinzpiste.
Vielleicht gibt es ja in Zukunft doch noch Überraschungen in Russland, an die Rahmenbedingungen im Smolensk hat man sich inzwischen gewohnt. Dort läuft alles mit sehr viel Charme, aber eben auch sehr „russisch“ ab. Was bedeutet, dass man bei diesem Termin einige Gewohnheiten über Bord werfen muss – beispielsweise was die (schnelle) Versorgung mit Ergebnislisten betrifft. Die werden nicht etwa in Fächern (oder zur Not auf einem Tapeziertisch) ordentlich sortiert ausgelegt. Werden mehr als fünf Exemplare benötigt, arbeiten die Mitarbeiter im Pressebüro jede weitere Anfrage in Form eines Einzelauftrags ab.
Aber die Rahmenbedingungen sind letztlich zweitrangig, für die Fahrer geht es in Smolensk wie bei den anderen neun Terminen auch um die wertvollen Punkte für die EM-Wertung. Erfreulicherweise konnte Antonio Albacete seine Führung in der Gesamtwertung auch am Nürburgring verteidigen und sogar leicht ausbauen. In Smolensk stellte der Spanier beim ersten Zeittraining um die Superpole klar, dass er derzeit in Bestform antritt – obwohl die Entscheidungen inzwischen extrem knapp geworden sind: Von den zehn Fahrern, die für diese Superpole-Runde zugelassen wurden, fielen lediglich die drei Schlusslichter aus dem Rahmen. Major blieb ohne gültige Zeit, Mika Mäkinen und Rene Reinert fielen deutlich ab. Markus Bösiger lag als Siebtplatzierter eine Sekunde und einige Hundertstel hinter der Top-Zeit von Albacete. Die restlichen sechs Fahrer trennt eine Spannbreite von gerade einmal sechs Zehntelsekunden. Der Unterschied zwischen der fünft- und der sechstschnellsten Runde betrug 16 Tausendstel – diese Winzigkeit war Markus Oestreich schneller als Adam Lacko.
Im ersten Rennen gelang es Norbert Kiss, ausgangs der ersten Kurve an Albacete und Hahn vorbei zu gehen. Danach halfen alle Angriffe des Spaniers nichts mehr, der Ungar verteidigte die Spitze, bis alle vierzehn Runden abgespult waren, und überquerte die Ziellinie knapp eine halbe Sekunde vor Antonio. Dieses Spitzenduo hatte sich allerdings weit abgesetzt, Hahn folgte als Dritter mit über sieben Sekunden Rückstand. Markus Oestreich rangierte am Ende auf dem fünften Rang.
Die Leistungsdichte führt natürlich dazu, dass es in den Rennen mit gedrehtem Start extrem schwer ist, Boden gut zu machen. Wie betoniert war die Reihenfolge im zweiten Championshiprace von Smolensk. Antonio Albacete gelang es, einen Platz gut zu machen. Er startete als Siebter in den Lauf und wurde als Sechster abgewunken, Markus Oestreich ging vom vierten Startplatz aus ins Rennen – und kam als Vierter ins Ziel.
Am zweiten Tag sollte es besser laufen für die beiden MAN-Fahrer. Im Zeittraining legte der spanische Ex-Europameister erneut die schnellste Rundenzeit vor, diesmal sozusagen im Duett: David Vrsecky wurde mit der exakt gleichen Zeit notiert. „Oese“ folgte als Dritter, klagte aber da schon über Probleme mit dem Set up. Im Rennen, das nach drei Runden wegen eines schweren Unfalls mit den Beteiligten Adam Lacko und Norbert Kiss unterbrochen und dann neu gestartet wurde, ließ Albacete in beiden Anläufen „nichts anbrennen“ und überzeugte in der Summe mit einem ungefährdeten Start-Ziel-Sieg. Markus Oestreich wurde zum dritten Mal an diesem Wochenende an fünfter Position gelistet.
Im abschließenden Championshiprace schließlich egalisierte der Madrilene sein Vortagesergebnisvom Rennen mit gedrehtem Start – und Markus Oestreich leistete Schwerstarbeit, um den heftig drängelnden Fahrer mit der Startnummer 1 im Zaum zu halten. Aber den Podiumsplatz vor Augen, entschied der Fahrer des Bernau-MAN den Zweikampf der beiden deutschen Truck Racer diesmal zu seinen Gunsten, Jochen Hahn hatte das Nachsehen.